Kommentar von Ulrich Reitz Keine Krawalle wie in Frankreich? Scholz verschließt die Augen vor deutscher Realität

FOCUS-online-Korrespondent Ulrich Reitz

Montag, 03.07.2023, 20:07

Man sollte aus französischen Aufrührern keine sozialen Opfer machen. Und Olaf Scholz hat keinen Grund für die Behauptung, so etwas könne in Deutschland nicht passieren. Nach etlichen Versuchen, die Gewaltexzesse in Frankreich als Reaktion auf Polizeigewalt und "strukturellen Rassismus" zu "framen" oder zu verharmlosen, sollte man erst einmal festhalten: Diese vorwiegend arabischen jungen Männer sind keine Opfer, sondern Täter. Foto: dpa/Marc Gruber
Auseinandersetzungen zwischen Großfamilien: Wirken sich die Clan-Kämpfe in Nordrhein-Westfalen bundesweit aus?

Ja, die französische Polizei geht hart zur Sache, härter als anderswo in Europa. Und Ja, die migrantische Desintegration in Frankreich ist Jahrzehnte alt - und die französischen Integrationspolitik ist - krachend im wahrsten Sinn des Wortes gescheitert. Aber: Kann man damit irgendetwas rechtfertigen, einen Bürgerkrieg gar?

Frankreich-Krawalle: Klassische Täter-Opfer-Umkehr

Zu Opfern machen sich die Aufrührer selbst durch ihre Taten. Welcher französische Handwerksbetrieb in der Nähe von Paris, Marseille oder Lyon wird jetzt noch vorbehaltlos einem 17-Jährigen mit algerischer Abstammung einen Ausbildungsplatz geben? Durch diese Art von Bürgerkrieg, die diese Leute in ihre Städte tragen, produzieren sie genau jene Art von "Rassismus", den sie hinterher beklagen. Es ist die klassische Täter-Opfer-Umkehr.

Wo bleibt die Selbstbestimmung, was ist das für ein seltsames Menschenbild, das eine gerade Linie von sozialer Abgehängtheit zum Straßenkrieg konstruiert? Niemand, der es nicht will, der es nicht für sich entschieden hat, in voller Selbstbestimmung, muss plündern und brandschatzen. Niemand, der das nicht will, muss Bibliotheken und Schulen anzünden, die auch für die Einwanderer zwecks Integration gebaut wurden. Oder Innenstädte verwüsten, in denen die eigene Familie wohnt.

Niemand, der das nicht will, muss Jagd machen auf die Frau und die Kinder eines Bürgermeisters. Oder selbst vor Feuerwehrleuten nicht Halt machen. Es sind Täter und Frankreichs Präsident Emanuel Macron hat recht: Es gibt dafür keine Rechtfertigung.

Naels Oma: "Nael ist doch nur ein Vorwand für euch"

Es ist ein entfesselter Mob - und die meisten sind die Kinder von nordafrikanischen Einwanderern. Um deren Leben jetzt deren Mütter fürchten. Naels Großmutter rief den Gewalttätern zu: "Hört auf", und schob weise hinterher: "Nael ist doch nur ein Vorwand für euch." Die Frau hat recht. Es geht um die radikalste Form der Ablehnung, die man einem Staat zuteilwerden lassen kann. In einem der vielen Tatortvideos fährt ein Motorradfahrer durch die brennenden Straßen - er zieht eine laufende Kettensäge hinter sich her.

Der Polizist Florian M., der den 17-jährigen Nael bei dessen Fahrerflucht in Nanterre erschoss, sitzt in U-Haft. Sie sei wütend auf diesen Beamten, sagte Naels Oma, aber sie wolle doch nicht verallgemeinern. Der Polizist werde bestraft wie jeder andere auch. "Ich habe Vertrauen in die Justiz". Mit dieser Frau hat der französische Staat wohl kaum ein "Integrationsproblem". Festhalten lässt sich auch, dass der Weltfußball-Star Kylian Mbappé den Mehrfach-Straftäter, Schulabbrecher und Führerscheinlosen Nael einen "Engel" nennt.

Linksradikale plus Islamisten: Was sie verbindet, ist der Hass auf Juden

Was sich auf Frankreichs Straßen entlädt, ist Männergewalt, und es gibt eine Ideologie dahinter. Massengewalt kommt nie aus ohne derartige Rechtfertigungen, die beliebteste ist der Klassenkampf. "Die da unten" gegen "die in ihren Palästen". In Frankreich ist aber so etwas entstanden wie eine gewaltbereite neue Jugendbewegung, der weise Philosoph Pascal Bruckner wies in einem Gastbeitrag für den "Figaro" darauf hin.

"Was sich in den letzten 20 Jahren verändert hat, ist das Auftreten einer aufständischen Ultralinken, die mit radikalen Islamisten sympathisiert und rasend antizionistisch, d.h. antisemitisch, ist." Linksradikale plus Islamisten, was sie verbindet, ist der Hass auf Juden.

Der Hass auf Juden ist nicht neu in diesen Kreisen, bei den Islamisten ist er sogar sehr alt. Hunderte von Jahren. Mit Israel hat das wenig bis nichts zu tun. Der Hass auf Juden steht im Koran. Worauf einer der angesehensten deutschen Islamwissenschaftler hinwies: Abdel-Hakim Ourghi, dessen neues Buch heißt: "Die Juden im Koran - Ein Zerrbild mit fatalen Folgen." Der Deutsch-Algerier Ourghi lehrt in Freiburg, seit Jahren schon kämpft er für das, was Bassam Tibi einmal einen "Euro-Islam" nannte - einen säkularen liberalen Islam.

Die Arbeit an einem neuen Islam ist in Deutschland keine vorrangige Staatsaufgabe. Man überlässt das den islamischen Gebildeten in deren akademischer Nische, während man sich von Staatswegen in den "Dialog" mit den vor allem konservativ orthodox geprägten Islamverbänden begibt. Dabei könnte das eine der deutschen "Learnings" aus Frankreichs Aufruhr sein - sich eingehend und ungeschminkt mit den ideellen Grundlagen von Desintegration zu beschäftigen.

Scholz müsste genauer hinschauen

Stattdessen tröstet uns der Bundeskanzler von der Bühne eines durchaus angenehmen "Sommer"-Interviews: Für Krawalle wie in Frankreich gebe es in Deutschland keine Anzeichen. Ein Blick aus dem Kanzleramtsfenster auf das nächtliche Berlin zu Silvester hätte Olaf Scholz eines Besseren belehren können. Vom Kabinettstisch kann man durchs Panoramafenster bis hinüber nach Kreuzberg schauen, wo es regelmäßig im Mai die Antifa-Ausschreitungen gibt.

Scholz hätte auch warnend auf die Freibad-Krawalle verweisen können. Oder die Straßenschlachten zwischen libanesischen und syrischen Clans im Ruhrgebiet, in Essen und Recklinghausen, erwähnen können. Auf das Ruhrgebiet war die SPD früher einmal stolz, es galt sogar als "Herzkammer der Sozialdemokratie".

Die Clans in Deutschland sind die Folgen unbeobachteter und ungebremster Einwanderung, die gleich zwei Mal passierte. Die Libanesen - eigentlich Kurden aus Mhallamiye in der türkischen Provinz Mardin - kamen via Ost-Berlin in den achtziger Jahren. Sie wurden von der DDR zum bundesrepublikanischen Klassenfeind geschleust. Schlägertypen waren es schon in der Türkei. Wer mag, kann das nachlesen beim besten Clan-Experten Deutschland, Ralph Ghadban ("Arabische Clans - Die unterschätzte Gefahr"). Der versuchte zuletzt in der TV-Sendung von Markus Lanz eine Berliner Journalistin zu überzeugen, dass es sich nicht um Opfer, sondern Täter handle.

Friedensrichter statt deutsches Gericht

Die syrischen Clans sind neueren Datums, sie rekrutieren sich aus der Einwanderungswelle der "Willkommenskultur" von 2015. Inzwischen machen Syrer den Libanesen auf deutschem Boden die Geschäfte mies, daher die Straßen-Schlachten. Die vorläufig nicht der deutsche Staat beendete, sondern ein im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht vorgesehener islamischer "Friedensrichter", wie ein TV-Team enthüllte.

Olaf Scholz wurde mangels Nachfrage im "Sommer"-Interview auch gehindert, seine Meinung zu den massenhaften Messerangriffen in Deutschland zu sagen. Dabei steht dieses Phänomen in der Polizeilichen Kriminalstatistik seiner Parteifreundin Nancy Faeser, der Bundesinnenministerin. In Nordrhein-Westfalen sieht die Sache so aus: 4191 Messerangriffe 2022. 3991 Verdächtige. Ausländeranteil: 44,2 Prozent.

Deutschland ist anders als Frankreich. "Wir haben diese extreme Abschottung wie in den Pariser Vororten nicht", sagt Nordrhein-Westfalens Clan-Jäger Herbert Reul. Der Landesinnenminister von der CDU zu "Bild": "Wir müssen in Deutschland frühzeitig dort ansetzen, wo sich Subkulturen bilden und Menschen abkoppeln." Und konsequent einschreiten, um zu verhindern, "dass irgendwann ganze Stadtteile verloren gehen". Ganze Stadtteile - wie weit ist es noch bis zu französischen Banlieu-Verhältnissen?

Keine Forschung zu Deutschlandfeindlichkeit

Inzwischen mahnt FDP-Generalsekretär Bijan Djir Sarai in "Bild" eine Beschäftigung der eigenen Regierung mit Frankreich an: "Unkontrollierte Zuwanderung und enorme Defizite in der Integrationspolitik sind eine Bedrohung für die innere Sicherheit." Einstweilen sucht Scholz´ Regierung die Bedrohung allerdings anderswo.

Die Regierung konstatiert eine grassierende Islamfeindlichkeit. Und überlegt nun, einen Bundesbeauftragten für Muslimfeindschaft zu ernennen.

Einen Bundesbeauftragten für Deutschlandfeindlichkeit unter gewaltbereiten Muslimen gibt es nicht. Und wer nach Forschungsergebnissen zu diesem zukunftsrelevanten Thema sucht, findet: Nichts.


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